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Damals

Deine Augen sind gebrochen. Nur noch schwarze leere Löcher, die auf die nasse kalte Strasse hinabstarren. Aller Glanz der Jahre erloschen. Nie mehr zu sehen. Dein Gesicht ist zerrissen, zusammengesackt, zu einer aschfahlen, grauen Fassade. Der Regen prasselt auf dein Haupt, dunkle Tränen, welche über dein ruß-verdrecktes Gesicht rinnen. Der Schutz den du mir einst geboten hast, ist nicht mehr da. Dein Geist, dein Lebenswille, ist längst verloren. Jetzt ist hier nur noch ein kalter nasser und leerer Ort. Und trotzdem kehre ich immer wieder zu dir zurück. Suche die Zuflucht die mir einst gegeben war. Ich wandere umher, sehe zahlreiche Dinge, die mir so vertraut waren und nun so fremd erschienen. Ziellos, träumend, durch den Regen. Lange Zeit nur in der Vergangenheit treibend.

Weißt du noch, wie es einst war, als wir beiden zusammenlebten? Wir haben viel zusammen durchgemacht. Alles geteilt, Freude und Glück, Trauer und Leid. Ich weiß noch, wie es war, als wir uns das erste mal sahen. Damals war ich noch so jung, so klein. Ich war so voll Ehrfurcht. Du warst so groß, so majestätisch und ich nur ein Winzling. Ein Nichts in deiner Gegenwart. Ich sagte: Mami! Mami! Sieh doch mal!“ Und so lernten wir uns kennen. Ab da waren wir unzertrennlich. Ich habe dich so geliebt. Ich liebe dich immer noch. Freud und Leid. Alles haben wir gemeinsam erlebt.
Mein erster Geburtstag mit dir. Er war so schön. Es war warm, Mitte Sommer. Und du hast uns zugesehen. Mir und meinen Freundinnen. Immer schützend in unserer Nähe, sodass wir zu dir konnten, wenn Gefahr drohte. Ich weiß noch, wie die dummen Jungen mich das erste mal ärgerten. Ich war hingefallen und hatte mir wehgetan. Daher eilte ich zu dir. Voller Angst. Aber du hast mich beschützt. Hast sie nicht zu mir gelassen. Ich war in Sicherheit. Und erinnerst du dich noch an unseren ersten Winter? Es war so bitterkalt. Aber in deiner Umarmung habe ich Wärme, Zuflucht und Geborgenheit gefunden. Nie konnte mir ein Leid wiederfahren, wenn wir zwei zusammen waren.
So zogen die Jahre ins Land. Ich wurde älter und auch mit dir war Väterchen Zeit nicht zimperlich. Aber eines blieb unverändert. Unsere Freundschaft. Wir behüteten meine Mutter, die uns beiden erst richtig zusammengebracht hatte, bis sie von uns ging. Wir trauerten gemeinsam um sie. Wenn der Winter zu kalt wurde, wärmte uns das Kaminfeuer und beobachteten meine Kinder bei ihrem Spiel. Meine Kinder, die mit dir aufwuchsen. Denen du den gleichen Schutz gewährt hattest, der auch mir dereinst zuteil wurde. Wir verbrachten so schöne Jahre zusammen. Wir sahen „unseren“ Kleinen dabei zu, wie sie groß wurden, wie sie zu Erwachsenen heran wuchsen und schließlich von dannen zogen. Dann waren wir zwei allein. Aber an unserer Freundschaft änderte sich nichts. Wir konnten zufrieden alt werden.
Wenn nicht jener Tag gewesen wäre. Dieser schreckliche Tag, der alles zerstörte. Ich weiß noch alles so genau. Als wäre es gestern gewesen. Das Geschehen hat sich unauslöschlich in mein Gedächtnis gebrannt. Nie werde ich es vergessen können. Ich war gerade draußen. Es war ein schöner Tag. Die Sonne hatte geschienen und es war für die Jahreszeit recht warm. Einer jener angenehmen Tage, die wir damals so selten erleben konnten. Ich hatte gerade meinen Wäschekorb nach draußen getragen und einen Käfer – war es ein Käfer, ich glaube ja – dabei beobachtet, wie er mit kleinen torkeligen Flügelschlägen an meinem Gesicht vorbeiflog. Ich weiß sogar noch, was ich gedacht habe. Ich habe gedacht: Na, Mr. Käfer? Da haben wir wohl zuviel Nektar getrunken. Nun aber schnell nach Hause, damit Mrs. Käfer nicht –
Und dann hörte ich die Sirenen. Sie schallten laut durch das ganze Viertel. Zunächst dachte ich, es sei ein Probealarm, so wie jeden Sonntagmorgen um 11:00 Uhr. Aber es war nicht 11:00 und es war auch nicht Sonntag. Es war ein Samstag! Der Schreck ließ mich erstarren. Nur langsam drangen die fremden Geräusche an mein Ohr. Das tiefe Surren und Brummen aus weiter Ferne. Welches beständig näher kam und eindeutig Gefahr signalisierte. Es lag letztendlich an diesem Geräusch, welches mich dazu brachte, aus meiner starre zu erwachen. Ich rannte zu dir. Wollte in deiner Nähe sein. Von dir beschützt werden, so wie damals bei den Jungen. Ich erreichte dich, als der Lärm so laut war, das ich nichts anderes mehr hören konnte. Ich hatte Angst, wusste nicht, ob es ein Entrinnen gab. Ich warf mich zu Boden und presste die Hände auf die Ohren. Die Augen fest geschlossen, lag ich da. Doch du hieltest dein Wort. Standhaft ragtest du über mir auf. Hieltest alles von mir fern. Warst der Schutz, der du immer gewesen bist. Und als die ersten Bomben fielen, wusste ich, mir würde nichts geschehen. Denn du warst da. Sie schlugen auf dich nieder, zerrissen deinen Körper. Deine Schmerzensschreie drangen in mein Bewusstsein. Ich schrie mit dir, litt mit dir. Doch körperlich erlitt ich keinen schaden. Nur die seelische Pein überstieg beinahe ihre Grenzen, als ich miterleben musste, wie mein ständiger Begleiter zerrissen wurde. Und dann war es vorbei.
Die Stille war ohrenbetäubend. Kein Geräusch war zu hören. Totenstille. Der Staub legte sich auf meinen Körper. Wie ein Leichentuch umgab er mich. Mir war nichts geschehen. Noch in deinem Tod, hast du dich schützend auf mich gelegt. Sodass mir nichts geschehen konnte. Eine Weile lag ich da. Versuchte meinen Geist zu beruhigen. Dann löste ich mich langsam aus deiner Umarmung. Nicht länger war sie schützend. Sie konnte auch meinen Tod bedeuten, wenn dein Körper endgültig zusammenbrach. Ich kletterte ans Tageslicht. Staub lag immer noch in der Luft. Wenige Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg zum Boden hinab. Nach dieser Schreckensnacht, die eine Ewigkeit dauerte, brach der Himmel auf und die Sonne berührte mein Gesicht. Der Tag begann aufs Neue.

Und nun. Die Jahre sind vergangen. Ich bin weitergezogen. Aber du. Dein Skelett ist noch immer hier. An diesem kalten nassen Ort. Der Regen prasselt auf uns beide hernieder. Ein letztes mal sind wir zusammen. Du kannst die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Du wirst immer hier bleiben. Aber ich kann nicht. Langsam drehe ich mich um. Wende dir den Rücken zu. Ich steige in den Wagen. Lasse etwas hier, das mir immer so wichtig war. Etwas das hier einst gewesen ist und immer hier sein wird. Ich steige in den Wagen und fahre fort. Durch den strömenden Regen, der Zukunft entgegen...

Désirée Becker
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