Dunkle Seiten
Revé du ice - Traum des Eises |
Eiskalt floss das Wasser ihren Rücken hinab, durchdrang ihre Haut, zog bis tief in die Glieder. Taubheit, Lähmung folgten und hielten fest, was sie zu empfinden suchte. Eine bläuliche Färbung in der feinen, blassen Haut, ließ das Bild des Porzellangesichts verblassen und erinnerte mehr und mehr an die Kälte der Welt welche sie umgab. Sie trat vor. Weg von dem kleinen Wasserfall des Gletscherbachs, welcher sich im laufe der Jahre seinen Weg durch das Eis dieser Landschaft gegraben hatte. Die Gänsehaut auf ihrem Arm schien sich zu verstärken. Größer, deckender zu werden, als sie es ohnehin schon war.
Sie schaute sich um. Der Boden, die Wände, alles aus Eis und Schnee. Überall spiegelte sich ihr Anlitz, die Blässe ihrer Haut. Langsam, zögernd hob sie die Hand und strich über ihre Wange, den Blick gebannt auf ihr Spiegelbild. Nichts.
Immernoch durchzog Taubheit ihren Körper. Und da wünschte sie sich zum ersten mal das Licht, die Wärme der Sonne, von der sie schon so viel gehört und doch, ob des Frostnebels, nie gesehen hatte.
Enttäuscht sank ihre Hand ab. Ein paar Sekunden noch, dann sanken auchdie Augen zu Boden, blickten über die gläsern wirkenden Locken, welche über die Schulter hingen, den zierlichen Körper hinab, auf das Eis unter ihr. Wieder sah sie sich selbst. Zuwieder, dachte siie und verschloss die Augen und wünschte sich um so mehr die Wärme, von der sie schon so oft geträumt und doch nie gespührt hatte. Und dann lief sie!
Der eisige Nebel schlug um ihre Beine, suchte sie zu halten, zurück zu führen zum Bach und doch versagte er, zerriss zu Fetzen und fiel zurück. Ihre Schritte schlugen Echos, eilten ihr voraus durch die gläsernen Schluchten. Erst dann kam sie, verfolgt von sich selbst, den eigenen Abbildern. Blassen Wesen von eisiger Schönheit, die sie jagten, voran trieben, ihr die Kraft gaben gegen die Taubheit zu kämpfen und zu laufen... bis das Eis sich vor ihr schloss.
Eine Wand, eine Sackgasse, Ende. Ihr gegenüber wieder sie selbst. Trauernd, enttäuscht legte sie die hände gegen das Eis, gegen sich selbst. Tränen liefen über ihre Wangen, wurden Teil ihres Körpers, ihres Abbildes und schienen spöttisch ihrem Fluchtversuch zu gedenken, ihn zu belächeln. Sie sank zusammen, versteckte ihr Gesicht hinter den Händen und weinte. Die Tränen umflossen ihre Finger, gefroren und vereisten sie mit dem Gesicht, doch es war ihr egal. Alles war nun egal.
Die Kälte durchzog sie erneut. taubheit kehrte zurück, umspielte ihren Geist und lockte sie in den Schlaf.
Ein seltsames Gefühl, ein sanfter Druck, ein Kribbeln sie konnte es nicht genau definieren, ließ sie ihre Lieder auf, und sogleich, ob des stechendes Schmerzes, welcher durch ihren Kopf schoss, ausgelöst durch das grelle Licht der Sonne. Ein zweites, dieses Mal unendlich vorsichtig, teilten sich die Lieder, fingen das gleißende Licht, reflektiert von den eisigen Wänden, auf.
Wo war der Nebel? Hatte er aufgegeben? Den Kampf der Sonne verlohren? Sie erblickte ihn. Blutend, an jenen Stellen, die sie zerissen hatte, lag er am Boden, starb unter der Berührung der Sonne. Und mit ihm schmolz das Eis. In sekundenschnelle zerfloss es zu tausenden Tränen, die im sandigen Boden versiegten. Sand!
Sie kniehte nieder, grief in das feine Korn und ließ es durch die Finger gleiten. Alle ihre Träume, Wünsche... sie weinte. Weinte vor Freude, so sehr, dass sich der Sand um sie herum verfärbte. Doch solbst als sie sich wieder fing, aufhörte zu weinen, breitete sich die Färbung aus. Verwirrt sah sie an sich hinab. Die Locke! Sie war verschwunden. Hastig griff sie an jene Stelle wo sie für gewöhnlich lag und stutzte. Ihre Finger schienen so dünn, beinahe als könne sie hindurch sehen.
Dann fiel eine weitere Träne, doch sie weinte längst nicht mehr. Erstaunt berührte sie die Stelle wo die Träne im Boden verschwand. Unter dem, obgleich sehr leichten Druck, brach der Finger. Sie riss die Augen auf. Keuchte erschrocken und griff hastig nach ihm. Doch es brachen nur weitere ab. Panik stieg in ihr empor, kochte in ihr auf und brach die rippen, dass sie klirrend vor sie fielen und wie schon die Finger und Händ und nun die Knie, zerschmolzen in der Sonne.
Und wieder weinte sie, heiße Tränen die Furchen durch ihr, einst so wunderschönes Gesicht zogen und sie wünschte sich das Eis zurück.
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